CIELAB Boundaries – die Grenzen des CIELAB Farbraums

Softwareprogramme, die Lab-Farbe unterstützen, lassen auch Farbwerte wie z.B. Lab(0, 100, 100) zu. Das Beispiel wird üblicherweise als Dunkelrot angezeigt, ist aber völlig sinnlos, denn in der Realität kann kein Licht der Welt diese Lab-Farbwerte erzeugen. Mit anderen Worten: eine Helligkeit 0 kann keine anderen a;b Werte als 0 aufweisen, oder: “nachts sind alle Katzen grau”. Im Artikel wird gezeigt, dass nur ca. 60% des üblichen Lab-Koordinatenraums (0..100, -128..127;-128..127) aus Farben besteht, der Rest sind Lab-Koordinaten ohne Farbentsprechung.

Es wäre wichtig, einen geeigneten Algorithmus für Nicht-Farben zu entwickeln, der falsche Lab-Koordinaten schon bei der Eingabe korrigiert (= auf die Hülle projiziert). Dies würde die Verständlichkeit und Anwendbarkeit des CIELAB-Modells stark erhöhen. Die Aufgabe ist lösbar, denn denn die Projektion der Nicht-Farbkoordinaten auf den Bereich sichtbarer Farben könnte in ähnlicher Weise geschehen wie das Gamut-Mapping von Out-of-Gamut-Farben. 

Welche Farben bilden die CIELAB Hülle?

Die intensivsten Farbtöne, die wir kennen, sind die Regenbogenfarben. Dieses sogenannten “monochromatischen” Farben weisen maximale Intensität in einem Wellenlängenbereich auf. Beispiel: Ein Remissionsmaximum im Intervall 570-590nm führt zu den CIELAB-Werten (2 Grad D50): Lab 55,91 8,58 96,38. Es ist für dieses Gelb und diese Helligkeit das intensivstmögliche, da es kein Spektrum gibt, das diese Farbe bei dieser Helligkeit noch intensiver erzeugen könnte.

Je breiter der Maximum-Wellenlängenbereich ist, um so heller ist die äußerst-mögliche Farbe, bis für alle Wellenlängenbereiche in maximaler Intensität weißes Licht entsteht.

Nach Wilhelm Ostwald werden die äußerst-möglichen Farbtöne von sogenannten “Rechteckspektren” erzeugt: dies sind Spektralverteilungen, bei denen ein mehr oder weniger breiter Wellenlängenbereich die maximale Intensität aufweist und alle anderen Wellenlängenbereiche die Intensität 0. Auch Violett ist einzubeziehen, welches am Anfang und am Ende des sichtbaren Spektrums maximale Intensität aufweist. Rechenbar formuliert: bei Rechteckspektren sind nur minimale (0) oder maximale (1) Intensität sowie maximal 2 Sprungstellen (0/1 oder 1/0) innerhalb des sichtbaren Wellenlängenbereichs der Fall.

Wendet man diese Regel an auf die bei Farbmessgeräten übliche 10-Nanometer-Schrittweite im Bereich 400-700 Nanometer, erhält man hierin 962 Rechteckspektren. Diese Farben bilden die äußere Hülle des CIELAB Farbraums, alle anderen Farben liegen im inneren Bereich. Außerhalb des so aufgespannten Körpers liegende Lab-Koordinaten sind keine Farben, sondern rein theoretische Rechengrößen, die in der realen Welt keine Entsprechung finden, weil sie sich mit keinem Lichtspektrum erzeugen lassen.

CIELAB Farbraum von oben. Der unregelmäßige Körper füllt nur ca. 60% des Koordinatenraums und überschreitet diesen auch im Grün- und Gelbbereich.
(H. Everding CC-BY-SA 4.0)
CIELAB Farbraum von vorn. (H. Everding CC-BY-SA 4.0)

Software-Lab-Farbeingabe und CIELAB-Farbraum

Die in Software üblichen Grenzen für a und b (-128…127) werden in der Realität in mehreren Bereichen von den Rechteckspektren überschritten. Das äußerste denkbare Grün hat beispielsweise einen a-Wert von -164. Ähnlich ist es im Gelbbereich (bmax=146). Mit anderen Worten: nicht alle Grün- und Gelbtöne können per Lab-Farbwert in Software abgebildet werden.

Gravierender ist der Umstand, dass man in Lab-fähigen Softwares mit Farbwerten arbeiten kann, die außerhalb der CIELAB-Farbraum-Grenzen liegen. Diese werden sogar farbig angezeigt, was völlig unsinnig und verwirrend ist. Ein Beispiel: Für die Koordinaten (Lab 0 100 100) zeigt Software eine dunkelrote Voransicht. Schon der gesunde Menschenverstand besagt aber, dass bei einer Helligkeit 0 kein Farbton außer Schwarz vorliegen kann: “Nachts sind alle Katzen grau”. Dies wird durch die Rechteckspektren bestätigt: Die einzige Farbe der Helligkeit 0 ist die, bei der kein Wellenlängenbereich eine Intensität aufweist, bei ihr ist a=0 und b=0.

Photoshop zeigt Nicht-Farben als Farben an.

Es besteht also bei Lab-Farben in Software doppelter Entwicklungsbedarf. Wichtig wäre vor allem ein Algorithmus, der, ähnlich der Gamutberechnungen, einen beliebigen Farbwert bei Bedarf auf die äußere Grenze des CIELAB-Farbraums zurückführt, mindestens aber derartige Farbwerte nicht als Farbe anzeigt.

Liste der Rechteckspektren

Die Datei cielab-boundaries enthält die Lab-Koordinaten der Rechteckfarben bei 10nm Messintervall unter nachstehenden Bedingungen:

  • 2° Beobachterwinkel, Lichtart D50 (üblich in der Druckvorstufe)
  • 10° Beobachterwinkel, Lichtart D65 (üblich bei Lackfarben)
  • 2° Beobachterwinkel, Lichtart D65 (sRGB Parameter)

Sie können die clf-Dateien in einem Texteditor öffnen, oder sie in den Digitalen Farbatlas einbinden, wo der CIELAB-Farbraum dann frei navigierbar in 3D angezeigt wird. Dort zeigt sich auch auf einen Blick, dass der Real-Farbbereich nur ca. 60% des CIELAB-Koordinatenraums ausmacht.


Autor: Holger Everding