Coloro – die Farbrevolution?

“Our aim is to shake up the color industry and finally give creative and fashion professionals the most logical, intuitive and universal color system that will revolutionize.”

Nicht weniger als dieses hochgesteckte Ziel verfolgt die 2017 gegründete Firma CLR Code Limited mit dem neuen Farbsystem “Coloro”. CLR Code Ltd. wurde 2017 in London mit 100.000 EUR Stammkapital registriert, man betreibt dort auch ein Büro, daneben existiert auch eine chinesische Vertretung, die Geschäfte werden aber vor allem in einem Industriegebiet in Overath bei Köln geführt.

Hinter der CLR Code Limited stecken zwei in der Farbenbranche bekannte Köpfe: Detlev Pross hat in früheren Zeiten die Pantone Europazentrale in Karlsruhe geleitet. Thorsten Traugott hatte Leitungsfunktionen bei einem der führenden Trendforschungsinstitute inne: der Firma Worth Global Style Network (WGSN), welche zum Netzwerk des Medienunternehmens Ascential gehört.

Die internationalen Ambitionen der CLR Code Ltd. werden auch daran deutlich, dass die Website lediglich in englischer Fassung existiert.

Web-Anwendung “Coloro Workspace”

Die Software zu Coloro existiert nicht für Windows, Macintosh, Android oder iOS, sondern ist eine Web-Anwendung, die direkt auf der Website implementiert wurde. Um sie zu nutzen, muss man sich registrieren, dies ist kostenlos und geht schnell.

In größtmöglichen Eingabeflächen lässt sich hier jede der 3500 Farben durch Ziehen der Maus einstellen. Es gibt einen Web-Farbatlas, der die Farbtöne in systematischer Form anzeigt und in welchem man eigene Farbsets zusammenstellen kann. Ein weiteres Fenster zeigt die zu einer Vorgabefarbe nächstliegenden Coloro-Farbtöne. Man kann in der Anwendung Farbharmonien berechnen und sogar eine 3D-Darstellung des Systems ist auf der Website implementiert. Zu allen Farben zeigt die Oberfläche auch die entsprechenden sRGB-Farbwerte und die Lab-Farbwerte an.

Coloro Workspace

Coloro Workspace

Materialien

Das größte Farbbuch ist die sogenannte “Toolbox”. Dieser Schuber besteht aus 63 Einsteck-Mappen mit 3500 entnehmbaren Kunststoff-Farbmustern der Größe 5x5cm. Er kostet 5995 EUR.

Das “Codebook” ist ein Ringbuch-Farbatlas, in dem die 3500 Farbtöne systematisch nach HLC-3D-Modell eingeklebt sind, er kostet 895 EUR.

Das “Lookbook” ist ein kleineres Ringbuch. Es hat ca. A4-Format und zeigt die 3500 Kunststoff-Farbtöne in 1,5×1,5cm in fortlaufender Reihenfolge. Der Preis ist mit 395 EUR erstaunlich niedrig.

Daneben werden die Kunststoff-Farbmuster auch einzeln in 10x10cm und 5x5cm angeboten.

Coloro-Shop

“Creative Freedom”

“At Coloro, we believe in creative freedom and that anyone can realize their creative potential…”

.. lautet einer der ersten Sätze auf der Website. Diese Freiheit beschränkt sich aber auf die 3500 vorgegebenen Farbtöne, Zwischenstufen werden nicht berechnet oder angezeigt. Nach außen ist Coloro lediglich über Lab-Werte vergleichbar mit anderen Farbsystemen und Kollektionen.

In den Lizenzbedingungen wird noch klarer, wie man es meint:

“For the avoidance of doubt, you agree not to distribute, reproduce, modify, store, transfer or in any other way use any of the CLR Code Materials (including as part of any database, library, news, information, archive, website or similar service) other than as set out above.”

Erlaubt ist, dass man die Farbtöne auf einem Arbeitsplatz verwendet und speichert. Es gibt hingegen zahlreiche “You may not”-Punkte, hierunter fallen z.B. die Weitergabe von Farbinformationen oder der Aufbau einer Farbdatenbank mit den Farbtönen.

In der Praxis müssen Farbinformationen ja sehr häufig an Lieferanten und Kooperationspartner weitergegeben werden, es stellt sich also die Frage “wieviele Farbinformationen darf man weiter geben?” – im Zweifelsfall keine einzige? Dies kann nicht im Sinn von Coloro sein, steht aber in den…

Lizenzbedingungen, siehe vor allem Punkt 3

Hue/Lightness/Chroma

“With a 100-year color methodology, we created a truly intuitive color system.”
“Coloro decodes color as the human eye sees it.”

In den Farbnamen der Coloro-Farben werden Hue/Lightness/Chroma-Koordinaten wiedergegeben. Obige Screenshot-Farbe 064 59 32 wird z.B. als Hue 64, Lightness 59 und Chroma 32 angegeben. Diese Einteilung nach Farbton, Helligkeit, Sättigung entspricht unserer Wahrnehmung – insofern beschreitet Coloro einen sehr sinnvollen Weg.

Das Coloro-Hue/Lightness/Chroma stimmt aber nicht mit dem seit 1976 eingeführten und heute weltweit geläufigen Hue/Lightness/Chroma des CIELAB-Modells überein (HLC oder LCh). Im obigen Beispiel wird für das Coloro-L von 59 z.B. ein CIELAB-L von 61,64 angegeben. Wie die Umrechnung in die CIELAB-Farbwerte funktioniert, bleibt im Verborgenen. Während bei den 3.500 coloro-Farbtönen die CILEAB-Farbwerte noch angegeben werden, ist dies bei Zwischenstufen nicht der Fall. Freie Konvertierung in andere Farbräume (RGB/CMYK), die jeder Computer über das Colormanagement beherrscht, oder Farbsystemvergleiche, die üblicherweise über die Lab-Farbwerte stattfinden, sind daher nur für die 3500 angegebenen Farbtöne der Coloro-Kollektion möglich.

Der Begriff “Hue/Lightness/Chroma” und dessen Abkürzung “HLC” sind zwar heute für das CIELAB-Modell geläufig, aber nicht für dieses geschützt, daher ist das Vorgehen rechtlich nicht zu beanstanden. HLC-Verwirrung ist aber vorprogrammiert, z.B. auch mit unserem HLC Colour Atlas, den HLC-Fächern, mit dem RAL Design System und zahlreiche anderen Anwendungen.

Es wäre für alle Seiten einfacher und freier, hätte Coloro auf das übliche CIELAB-Hue/Lightness/Chroma gesetzt. Dies hätte nur einen Nachteil: da CIELAB als rein mathematisches Modell nicht schutzfähig ist, wäre das o.g. restriktive Lizenzmodell dann nicht möglich gewesen.

Fazit

Bei Coloro handelt es sich um eine Hersteller-Farbkollektion, die sinnvoll nach Farbton, Helligkeit und Sättigung sortiert ist. Die verkündete “Freiheit” ist kritisch zu sehen: das System ist unfrei einerseits per selbst auferlegter Einschränkung auf feste Farben, andererseits per restriktiver Lizenzbedingungen, das zweite erfordert das erste.

Es stellt sich die Frage, ab Coloro trotz der “20 years of scientific research” aufgrund der Verwendung des guten alten Munsell-Systems eher “alter Wein in neuen Schläuchen” ist als eine Farbrevolution? Manche Funktionen und Ideen erinnern den Verfasser auch an gemeinsame Besprechungen und an den Digitalen Farbatlas.

Es wird sich zeigen, inwiefern die Revolution mit Coloro realisiert werden kann. Was dafür spricht: oft setzt sich nicht das qualitativ beste durch, gerade im Farbbereich ist dies vielfach festzustellen, die Akteure sind namhaft und seit langem im “Big Business” unterwegs – es bleibt also spannend.

Ausführlicher Artikel zum Munsell-System
Interview mit Thorsten Traugott zu coloro
Is Coloro the biggest challenge to Pantone’s dominance of the colour market?
Why you’ll love Coloro, from a certified colour expert
CLR Code Limited, Firmeninfo
CLR Code Limited Ndl. Deutschland, Handelsregister-Firmeninfo


Verfasser: Holger Everding
Die Meinung des Verfassers spiegelt nicht unbedingt die Meinung aller Mitglieder des fF Teams wider.

2 Kommentare
    1. Hier zeigt sich, was geschieht, wenn jeder Anbieter eines Farbsystems “sein eigenes Süppchen” kocht: mangelnde Vergleichbarkeit untereinander. Betreffs konkreter Fragen zu en Coloro-Farbcodes kontaktieren Sie bitte das Coloro-Team. (Holger Everding)

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